Die Indus-Kultur war aber nicht nur eine Städte- und Massenproduktions-Zivilisation, obwohl Tempel-
und sonstige kultische Anlagen wenig hervortreten.
Was vor allem interessiert ist die Entwicklung eines Fruchtbarkeits- und Mutterkultes. Beides ist
durch zahlreiche Funde belegt. Der Mutterkult kam somit nicht oder nicht allein von Mesopotamien in
die abendländische Welt. Erwähnenswert ist, dass ein Idol des Mutterkults der Indus-Kultur die Taube
war. Diese finden wir sogar heute noch (bis vor kurzem) als Friedenstaube im sogenannten realen und
angeblich wissenschaftlichen Sozialismus.
Der Hinduismus hat aus der Indus-Kultur wahrscheinlich nicht nur den Yoga-Kult sowie den Hindugott
Shiva übernommen, der auf einem Siegel der Induskultur im Yoga-Sitz als Herrscher der Tiere (pasupati) abgebildet ist, sondern auch den Phallus-Kult und weibliche Gottheiten. Jedenfalls steht fest, dass die Religion von Mohenjo Daro, Harappa und dem später entdeckten Chanhu Daro ein hoch entwickelter Bilderkult war, der die Verehrung von männlichen und weiblichen Gottheiten - man hat einen in Yoga-Positur sitzenden Shiva und eine der Durga ähnliche Muttergöttin zu erkennen geglaubt - von heiligen Tieren (Stier, Elefant, Schlange, Krokodil), Pflanzen (Feigenbaum), Phallussteinen und heiligen Symbolen (Hakenkreuz) zum Gegenstand hatte. Man wird sie als eine Vorstufe des heutigen Hinduismus bezeichnen können, bei welcher bereits einige wesentliche Elemente des Glaubenslebens und der Kultübung desselben deutlich hervortreten.
Ein weiteres Merkmal kultureller Eigenständigkeit ist die Entwicklung einer eigenen Sprache und
Schrift, die sich sonst nirgendwo wiederfinden. Die Indusschrift ist nicht näher verwandt mit
irgendeiner gleichzeitigen Bilderschrift des dritten und zweiten Jahrtausends v.Chr. Die Folge der
Zeichen in der Indusschrift ist originär und weist keinerlei Ähnlichkeit mit irgendeiner der
westlichen (westasiatischen) Schriften auf. Die Indusschrift ist mit den späteren indischen Schriften
wie dem Brahmi nicht verwandt. Die Sprache der Harappaner ist nicht mit der indo-europäischen
Sprachfamilie verwandt. Sie ist ebenfalls nicht mit der sumerischen ode einer anderen
westasiatischen Sprache verwandt. Keiner der bisherigen Entzifferungsversuche kann als gelungen
betrachtet werden. Dem amerikanischen Anthropologen Fairservis ist es wahrscheinlich gelungen, etwa
ein Viertel der bisher bekannten Schriftzeichen zu deuten. Seine Leistung beruht auf dem Nachweis
einer Verwandtschaft zwischen der Symbolik der Harappa-Schrift und Frühformen der Drawidensprache.