Ebenso wichtig wie das Alter einer Kultur ist ihre eigenständige Entwicklung.
Bis vor einigen Jahrzehnten ging man davon aus, dass es der Indus-Kultur an Eigenständigkeit fehlte,
weil keine Nachweise über die Entwicklung der Töpferkultur zu finden waren. Da die Indus-Kultur
andererseits in engen wirtschaftlichen Beziehungen u.a. mit Mesopotamien stand, wurde unterstellt,
dass die Töpferdrehscheibe von dort oder aus dem Iran importiert wurde. Dies untermauerte die These,
die Indus-Kultur wäre generell lediglich eine abgeleitete Kultur.
Die Ausgrabungen u.a. in Mehrgarh haben gezeigt, dass in diesem Vorläufer der Indus-Kultur der
Übergang vom Nomaden-Leben zur vorkeramischen Ackerbaukultur und schließlich zur Keramik lückenlos
nachweisbar ist. Die Töpferscheibe war sogar mindestens 600 Jahre früher als in Mesopotamien und im
Iran bekannt. So wurden in der Indus-Kultur die ersten Tongefäße auf einer schnellen Töpferscheibe
im 5. Jh. v.Chr. , in Mesopotamien erst um 3400 v.Chr. hergestellt. Letzteres bestätigt die These
von Jarrige, von Jansen zitiert, "dass die ... auf der Scheibe hergestellte Keramik nicht wie
bisher angenommen ... aus dem westlich liegenden Iran kam, sondern dass die Technik in dem früher zu
datierenden Mehrgarh II entwickelt wurde und sich von dort ausbreitete."
Unabhängig davon ist eine wechselseitige Beeinflussung der Indus-Kultur und der nahöstlichen Kulturen
wahrscheinlich: "Wir wissen, dass die beiden Zivilisationen substantiell voneinander verschieden
bleiben, aber wie könnte man bezweifeln, dass der intensive Handelsaustausch Auswirkungen auf ihre
jeweilige Entwicklung gehabt hätte?"