Pakistan steht als Agrarstaat am Beginn der Industrialisierung (im Rückstand zu Indien). Die
Voraussetzungen für Fortschritte sind günstig, wenn die landwirtschaftliche Effizienz weiterhin
zunimmt und das Problem der Analphabetenquote gelöst ist.
Pakistan fehlt es an den wirtschaftlichen Voraussetzungen zu einem ähnlichen industriellen
Binnenmarkt wie in Indien. Die Bevölkerung Pakistans macht nur etwa 13% der Bevölkerung Indiens
aus. Somit war Pakistan von Anfang an stärker als Indien auf weltwirtschaftliche Orientierung
ausgerichtet, und zwar als Agrar-Exporteur. Die Ausfuhren lagen im Wirtschaftsjahr 1997/98 - kaum
anders als in den Vorjahren - mit 12% des Bruttoninlandsprodukts (Bundesrepublik, ohne die neuen
Bundesländer ungefähr 30%) beachtlich unter den Einfuhren von 17%. - Etwa 33% der Exporterlöse
entfielen auf Rohbaumwolle und Reis, weitere 33% auf verarbeitete Baumwolle.
Der mit Abstand größte Anteil der Einfuhren (32%) betrifft Maschinenbau-und elektrotechnische
Erzeugnisse sowie Fahrzeuge.
Auffällig ist, dass in Pakistan (wegen des zu kleinen Marktes) Industrieerzeugnisse aus
Kostengründen in weitaus geringerem Ausmaß als in Indien hergestellt werden und somit zu
importieren sind. Die importierten Erzeugnisse firmieren daher - im Gegensatz zu Indien - unter
ausländischen Produkt- Namen (hauptsächlich japanische Erzeugnisse). Sie sind als Importprodukte
auf neuerem technologischen Stand als die in Indien hergestellten Erzeugnisse.
Insgesamt erscheint Pakistan wirtschaftlich - aber nur insoweit - stärker liberalisert zu sein als
Indien, was wegen der Marktgröße nicht anders zu erwarten ist.
Der Markt für Industrieerzeugnisse wird stark überzeichnet - von den Japanern (Toyota, Nissan,
Mitsubishi usw.) und der Getränke-Markt von den USA (Coca-Cola, Sprite, 7-up) beherrscht, während
Deutschland vornehmlich Maschinenbau-Erzeugnisse liefert.
Wenn die These zutrifft, dass eine erfolgreiche Industrialisierung nur in Ländern mit ausgesprochener
Hochkultur gelingt, dann sind auch insoweit die Voraussetzungen in Pakistan gut. Als islamischer
Staat ist Pakistan zureichend motiviert und zugleich diszipliniert, wobei im Islam Religion und
Staat eine unauflösbare Einheit sind. Außerdem verfügt Pakistan über das notwendige
Intelligenz-Potiential und über ausreichende Kreativität, was die Geschichte Pakistans bestätigt.
Angesichts dessen ist es nicht ausgeschlossen, dass Pakistan einen ähnlichen Weg beschreitet wie
z.B. Japan, dem der Westen noch vor 40 Jahren, wenn überhaupt, lediglich die Fähigkeit zum Kopieren
zutraute. Ähnlich unzutreffend wurden die Chancen des heute "boomenden" Süd-Koreas eingeschätzt.
Woran liegt es, dass unsere Prognosen derart unzutreffend sind? Tiefenpsychologisch gesehen denken
wir zu sehr euro-zentrisch, wähnen unsere Kultur und Zivilisation als Mittelpunkt des Weltgeschehens.
Daraus resultieren Überheblichkeit und Fehlprognosen.
Wenn Pakistan in den nächsten 15 - 20 Jahren der Durchbruch zur Industrialisierung gelingen sollte,
dann nur bei entsprechender weltwirtschaftlicher Orientierung. In dieser Hinsicht sind die Weichen
besser gestellt als bisher in Indien.