Am Rande bemerkt Zeitenwechsel im Basecamp oder Der Unterschied zwischen Süd und Nord
Nachdem wir zunächst am windgeschützten Nordpfeiler des Holtanna Nordgipfels
geklettert waren, unser Projekt aber wegen brüchigem Fels sich als zu
gefährlich entpuppte, klettern wir seit dem 23. Dezember am Südpfeiler des
unbestiegenen Holtanna Südgipfels. Einige eklatante Veränderungen den
Tagesablauf betreffend hatte dies zur Folge.
Obwohl die Sonne in den Sommermonaten ganztägig, also 24 Stunden am Himmel
steht, senkt sie sich, da wir nicht genau am Südpol klettern, gegen Abend
doch etwas gegen den Horizont.
Ab ca. 19.00 Uhr, wenn die Sonne Richtung Süden wandert, wird es merklich
kälter und vor allem im Schatten empfindlich kälter.
Da zudem der Wind meistens vom Pol, also aus Süden kommt, kann man südseitig
im Schatten bei Wind kaum klettern. Sind ohne Wind nachts Temperaturen um
ca. -20° bis -25° C üblich, wird es mit Windchill Faktor sehr schnell
wesentlich kälter.
Also heißt es in den windstilleren Nächten klettern, und wenn der Wind zu stark
bläst oder es schneit Material und Nachschub nach oben transportieren. Ob
jemals in der Antarktis südseitig exponiert geklettert wurde, müssen wir
erst noch herausfinden.
Auf jeden Fall starten wir hier vom Basislager immer erst gegen 18:00 Uhr,
klettern südseitig bis nachts um 1:00 Uhr oder 2:00 Uhr, seilen dann zum
Pfeilerfuß ab und haben noch eine Stunde Rückweg bis zum Basislager.
Freundlicherweise kochen unser Wissenschaftler Alain, unser Elektroniker
Ronald und die Journalistin Kathelijne teilweise für 3:00 Uhr das Abendessen.
Das Basislager liegt dann im Schatten des Holtanna und nur die Benzin Kocher
erwärmen das Küchenzelt.
Nach dem Abwasch, es ist inzwischen 4:00 Uhr, geht's endlich - tiefgekühlt -
in den Schlafsack.
Dort quält zunächst noch schattige Kälte, sobald aber die Sonne wieder
hinter dem Holtanna vorkommt und aufs Zelt "brennt" wird es unglaublich
warm.
Teilweise bin ich schweißgebadet aufgewacht, habe den Zelteingang
aufgerissen und war froh um die morgendliche Frische. Frischt der Wind auf,
oder ist es später vielleicht etwas bedeckt, wacht man wieder auf, weil es
mit dem offenen Eingang wieder zu kalt wird. So ist an tiefen Schlaf nur
selten
zu denken, und wir merken inzwischen alle, dass eine südseitige Kletterei in
der Antarktis mit anderen Strapazen verbunden ist als nur die Kälte und dem
Wind.
Was ich genieße sind die Stunden der Ruhe unter Tags im Basislager.
Manchmal ist es windstill, man kann draußen sitzen und einfach die Stille
hören. Und sich in die unendliche, weite Wüste in Richtung Süden zum
Polarplateau verlieren.
An einem dieser windstillen Tage zog ein Skua-Pärchen seine Kreise über
unserem Lagerplatz. Diese am südlichsten verbreiteten Tiere der Erde, manche
fliegen bis zum Südpol - unglaublich, sind recht neugierig und ließen sich
auch, wie einige Schneemöwen, problemlos fotografieren.
Die Sonne, die doch fast immer scheint, gibt unglaublich viel Kraft. Gerade
die Winter-Monate in unseren Breiten, mit kürzeren Tagen und wenig Sonne
unterscheiden sich krass vom Leben hier.
Es ist eigentlich kalt und rau hier, vor allem bei Wind, gleichzeitig aber
liegt unglaublich viel Kraft in der manchmal vibrierenden Luft über dem
unendlichen Eis. Ähnlich vielleicht wie im Frühling über dem Rheintal, wenn
nach langem Winter die Tage wieder
länger werden. Ich freue mich schon darauf.
Allen Interessenten an unserer Expedition und allen meinen Freunden und
Bekannten wünsche ich einen guten Start ins Neue Jahr.