Die letzten Tage des ausklingenden Jahres waren fast durchgängig von schlechtem Wetter gekennzeichnet.
Da ich bereits Anfang Januar wieder zurück reisen wollte, wurde es mit der Zeit knapp. Ein
durchziehendes Tief am 30./31. Dezember machte fast jede Hoffnung zunichte.
Am 31. Dezember gegen Mittag klarte es aber allmählich auf und auf der Rückseite des abziehenden Tiefs
erreichte uns herrliches Wetter. Um 17:00 Uhr waren wir alle unterwegs zum Einstieg unseres 800 Meter
hohen Südpfeilers.
An den bereits angebrachten Fixseilen kamen wir zunächst nicht allzu hurtig voran. Da wir nach dem
Gipfel mit einem Biwak rechneten, zogen wir zwei Tonnen Schnee bis zu einem Band in Pfeilermitte mit
uns mit. Danach ging es wesentlich flotter bis zur überhängenden Headwall, in der noch zwei Seillängen
bis zum Ausstieg fehlten. Die Risse hier oben waren sehr, sehr speziell. Zwei-Faust-Breite ist schon
nicht besonders angenehm zum Klettern oder auch Absichern, aber hier waren sie zum Teil im Rissgrund
durch den Wind mannstief ausgehöhlt, so dass Sicherungen wie Friends oder Camelots an den schmalen
Risskanten kaum hielten. Die vorletzte Länge mogelte sich André nach oben, mir fielen fast sämtliche
Camelots beim Anfassen im Nachstieg einfach entgegen. Vierzig Meter so abgesichert zu klettern braucht
schon dicke Nerven.
Mir fiel die letzte Seillänge zu, aus einem überhängenden Kamin seitlich über ein
Dach in weniger steiles, dafür kaum absicherbares Gelände zu klettern. Einen letzten Haken konnte ich
in einem feinen Riss an der Dachkante unterbringen - uff -, dann war das Spannendste geschafft. Die
Wand legte sich zurück und leichtes Gelände über 200 Höhenmeter führte ziemlich schottrig zum Gipfelgrat.
Ein paar kurze Kletterstellen erinnerten uns wieder daran, warum der letzte wichtige Gipfel der
Fenris-Fjella-Gruppe noch unbestiegen war. Bis alle kurz unterhalb des Gipfels waren dauerte es noch
eine Weile und so waren wir heilfroh, die erste windstille "Nacht" seit Beginn unserer
Kletterei genau für den Gipfelaufstieg erwischt zu haben.
Bei schönstem Sonnenschein, Windstille und
wolkenlosem Himmel stiegen wir die letzten Meter gemeinsam zum Gipfel: Alain, André, Daniel, Fabrizzio,
unser Fotograf René und ich. Unwirklich bei solchem Wetter auf einem unbestiegenen Gipfel in der
Antarktis zu stehen. Alain hatte eine Flasche echten Champagner mitgebracht - wir wollten es kaum
glauben. Fast eineinhalb Stunden feierten wir die Aussicht. So unglaublich weit und schön, es fehlen
einfach die Worte um den unendlichen Blick in Richtung
Südpol zu beschreiben. Und das alles bei absoluter Windstille. Und als komplettes Team.
Trotz vieler Expeditionen in den letzten 15 Jahren eines der ganz großen Highlights für mich. Danke an
Alain für die Einladung. Danke an das ganze Team für die harte Arbeit und den unermüdlichen Einsatz in
der Kälte des Südpfeilers.
Während des Abseilens bauten wir sämtliche Fixseile wieder ab. Nur einen Seilstrang, der sich beim
Abziehen in einem Riss verklemmte, mussten wir abschneiden. Bei unserer Ankunft um 10:00 Uhr morgens
auf dem vorgesehenen Biwakband in Pfeilermitte verschwand gerade die Sonne um die Ecke und es wurde
wie erwartet schlagartig richtig kalt.
In zwei Portaledges und zwei großen Tofani-Löchern verbrachten
wir einen kalten Schattentag. Das Loch, in dem ich lag, war um ca. 30 cm zu kurz, und auch der unebene
Boden machte das Anpassen an die Lochform bei -25°C nicht gerade leicht. Irgendwie ging der Schatten
vorbei und beim ersten Sonnenschein, der wieder um die Ecke kam, war ich unterwegs ins Basislager.
Für mich und Daniel Mercier geht eine sehr bereichernde Zeit in der Antarktis zu Ende. In den nächsten
Tagen geht es über Blue One zurück nach Südafrika. Unsere Teamkollegen werden noch eine Zeit unterwegs
sein, um vor allem für das Schulprojekt noch einige Versuche durchzuführen und abschließend von der
deutschen Neumayer-Station mit dem Forschungsschiff "Polarstern" nach Südamerika zurückzufahren.
Vielleicht gelingen zwischendurch noch einige weniger zeitaufwendige Gipfel. Ich drücke allen die
Daumen. Ich selbst freue mich sehr auf zu Hause.
Es wäre schön, wenn die Antarktis weiterhin als die letzte Oase ohne feste Territorialansprüche
verstanden wird und dem Menschen weiterhin zum Verstehen von Naturzusammenhängen dient. Mir hat die
wiederholte Beschäftigung mit der (veränderten) Kälte der Polarregionen klar gemacht, dass
Informationen über die menschengemachte Klimaerwärmung kein Märchen sind. 40% weniger Eisdicke seit
Beginn der Messungen im Bereich des Nordpols ist eines von vielen deutlichen Indizien für große
Veränderungen.
Für Ihr Interesse an unserer Queen Maud Land Expedition möchte ich mich bedanken und würde mich freuen,
wenn auch die zusätzlichen Antarktis-Informationen auf unserer Homepage und unter
www.antarctica.org zu
einem erweiterten Verständnis um die Bedeutung der Antarktis beigetragen haben.
Mit herzlichen Grüßen und den besten Wünschen zum Neuen Jahr
Ralf Dujmovits
aus Queen Maud Land