Shisha Pangma Südwand erfolgreich durchstiegen - und Shisha Pangma erstmals von Süden nach
Norden überschritten
Wir sind zurück in unserem kleinen, südseitigen Basislager - 10 Tage haben wir unseren Koch Sitaram und
unseren Küchenhelfer Phintso alleine in großer Ungewissheit zurückgelassen. Gestern bei der Rückkehr von
unserer Riesenrunde nach 10 Tagen standen uns allen die Freudentränen in den Augen. Schön
wohlbehalten zurück zu sein.
So. 01/05 - Mo. 02/05
Tag der Arbeit: Erst die lange Strecke bis zum eigentlichen Basislager (heute nur noch 4 Stunden - trotz
nagelvoller Rucksäcke mit Verpflegung und Gas für 6 Tage), dann noch drei Stunden weiter bis zum
Norweger-Lager, wo wir unser Materialdepot im beginnenden Schneetreiben auflösen. Bis wir unser Minizelt
aufgestellt haben sind wir vom stärker werdenden Schneefall schon ziemlich eingenässt.
Sitaram hat uns einen
Beutel Bratkartoffeln mitgegeben, schwer aber supergut. Mit Zwiebeln und Knoblauch angebraten - die Luft im
Zelt wird schwer. Schneeschmelzen bis in die Dunkelheit.
Am nächsten Morgen frühes Zusammenpacken. Charly Gabl, der Leiter der Wetterdienststelle Innsbruck, hat
angekündigt, dass mit mäßigem Wind und hoher Luftfeuchte es die ganze Woche sehr früh am Nachmittag immer zu
Niederschlägen kommen soll. Womit er in den nächsten Tagen mehr als recht behalten wird. Nur heute nicht.
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Steinmann vor Eiger Peak
Auf dem Moränenrücken zum Norweger-Camp
Die erste Plattform am Wandfuss
Immer den Blick auf die Südwand gerichtet kommen wir langsam näher. Den Gletscher hinauf und mittags
erreichen wir den Bergschrund. Einstieg. Drei annähernd senkrechte Stellen müssen wir antesten bevor wir
endlich drüber kommen. 50 Höhenmeter noch bis wir eine leichte Verflachung für das Ausschaufeln einer
Plattform nutzen können. 1 1/2 Std. später steht unser Zelt und wir können mit dem täglichen Prozedere des
Schneeschmelzen beginnen. Heute hält das Wetter - noch.
Di. 03/05 -Mi. 04/05
Früh kommen wir weg, und gut kommen wir in der zunächst nur 50° steilen Flanke voran. Jeder steigt für
sich, reines Blankeis wechselt sich ab mit Neuschnee belegten Blankeispassagen. Wir stehen viel auf den
Frontzacken. Langsam steilt sich das Gelände auf 60° auf. Da, plötzlich! - eines meiner beiden Steigeisen
macht sich selbstständig und folgt der Schwerkraft. Ich stehe mit dem Frontzackenpaar des anderen Steigeisen
wie festgenagelt - bin vor Angst gelähmt.
"Ist das schon wieder das frühzeitige Ende wie im vergangenen
Jahr?" frag' ich mich und Gerlinde, die glücklicherweise nur wenig über mir klettert. Sie steigt im Blankeis
zu mir ab. "Nein" meint sie, "wenn Dich der Berg wirklich nicht wollte, wärst Du gleich ganz runter
gefallen." Hoffentlich hat sie mit dieser fatalistischen Aussage recht. Das Eisen bleibt 80 Meter tiefer
hängen. Gerlinde klettert ab, holt es rauf und hilft mir in die Bindung. 45 Minuten hat der Schreck gedauert
- dann geht's weiter. Früh wölkt es zu - nach gerade mal 450 Höhenmeter ist heute Schluss - im dichten
Nebel finden wir einen Biwakplatz. An dem wir nur 1 Stunde herumhacken müssen, bis die Plattform für unser
Zelt groß genug ist. Nachmittags dichter Schneefall.
Die ersten einhundert Höhen- meter in der Südwand
Gerlinde bringt Ralfs Steigeisen zurück
Hiro an der Steilstufe vor dem Felsriegel
200 Höhenmeter unterhalb unseres Tagesziels waren wir hängen geblieben. Der nächste Morgen gibt uns die
Chance ein wenig aufzuholen. Kurze senkrechte Eispassagen führen uns zum lange erwarteten Felsriegel. Nicht
sehr verlockend, - stark verschneit, nahezu senkrecht und übel brüchig. Aber es geht. Seillänge um Seillänge
kommen wir nach oben. Kommentar Gerlinde: ".. das Brüchigste, was ich je geklettert bin." Nach einer
flacheren Seilänge sind wir in der 800 Meter hohen Gipfeleisrinne. Der wir noch 100 Höhenmeter folgen, dann
ist bei stärker werdendem Schneetreiben wieder frühzeitig Schluss. Die ersten Neuschneelawinen rutschen die
Eisrinne hinunter als wir seitlich am Grat wieder die Möglichkeit für einen Biwakplatz finden.
Ralf im Vorstieg am Felsriegel
Die erste noch kombinierte Seillänge am Felsriegel
Gerlinde am Ausstieg des Felsriegels
Do. 05/05 - Fr. 06/05
Schon nach etwas mehr als zwei Stunden fallen an diesem Vormittag die ersten schweren Schneeflocken. Wir
kommen zwar noch bis 7400 m, müssen aber nochmal 100 Höhenmeter absteigen, da wir keinen geeigneten
Biwakplatz finden. Drei Anläufe hatten wir genommen seitlich der Steilrinne Plattformen herauszuhacken.
Jedes mal treffen wir frühzeitig auf Fels oder betonhartes Eis. Also bis 7300 m absteigen, wo ich im
Vorbeiklettern eine kleine Felsnische gesehen hatte. Dort können wir auch das Zelt problemlos aufstellen und
verbringen den Rest des Tages im dichten Schneefall.
Lawinen donnern auch die ganze Nacht hindurch die Rinne
hinunter, spätestens am nächsten Morgen ist klar: Abwarten auf das für Samstag angekündigte trockenere
Wetter. Zumindest die Schlafsäcke - hatten wir gehofft - zu trocknen, aber selbst das ist bei dem schlechten
Wetter nicht möglich. Erstmals kommen Zweifel in mir auf: das Gas geht zur Neige, wir sind an absolut
exponierter Stelle, die Erholung in den tropfnassen Schlafsäcken geht gegen Null, der Appetit ist ebenfalls
am Nullpunkt und draußen donnern die Lawinen. Selten habe ich vor einem Gipfelaufstieg schlechter und
unruhiger geschlafen. Gerlinde hält die Moral aufrecht und lässt sich nicht wirklich einschüchtern..... Wir
werden es schaffen.
Gerlinde nach 100 Höhen- meter Abstieg zum Biwakplatz
Am Biwakplatz für 2 Nächte
Hiro während der Nischen- biwaknacht völlig eingeeist
Sa. 07/05 - So. 08/05
Gipfeltag!! Um 23:00 Uhr Frühstück - um 1:30 geht's los. Tiefe Spurarbeit auf den ersten 100 Höhenmetern.
Dann wird's etwas besser: die zahlreichen Lawinen haben in der Mitte der Gipfelrinne eine hart gepresste
Spur hinterlassen, der wir in der Dunkelheit folgen. Starker, eiskalter Wind macht uns den Aufstieg nicht
gerade leichter. Ich habe vergessen, die zweite Unterziehhose unter den Daunenanzug anzuziehen. Und friere
erbärmlich und werde auch trotz Hiro's und Gerlinde's Fuss- und Beinmassagen nicht recht warm. Beide leiden
selbst fast genauso wie ich. Nach 6 Tagen Dauereinsatz sind wir inzwischen doch schon etwas ausgezehrt.
Die Gipfeleisrinne im Morgengrauen Hiro und unten Gerlinde
Gerlinde in den ersten Sonnenstrahlen am Ausstieg der Gipfeleisrinne
Gerlinde und Ralf auf den letzten Metern zum Gipfel
Endlich, endlich erreichen die erste Sonnenstrahlen den oberen Teil der Gipfelrinne. Eigentlich hatten wir
gehofft, diese würde sich weiter oben etwas zurücklegen, flacher werden. Nein, immer noch so um die 60°. Und
je weiter wir nach oben kommen, desto härter wird die Schneeauflage. Wir ziehen nach rechts zum Gipfelgrat
hinaus. Welche Freude macht sich bei uns dreien breit. Am Grat dann wieder tiefer, anstrengender Schnee.
Der Blick auf die braune, tibetische Hochebene wird frei - unwirklich schön. Starker Wind trägt uns weiter
bis zum höchsten Punkt des Hauptgipfels. Es ist geschafft. Um 11:00 Uhr nepalischer Zeit stehen wir bei
starkem Wind und klarer Sicht am höchsten Punkt und freuen uns irrsinnig - sind aber auch ziemlich erledigt.
Wir haben alles Gepäck - also Schlafsäcke (tropfnass), Isomatten, Zelt, Kocher, Seil, etc. - zum Gipfel
getragen.
Gerlinde und Ralf am Gipfel des Shisha Pangma
Hiro und Ralf am Gipfel im Hintergrund der etwas niedrigere Zentralgipfel
Am Beginn der Querung unterhalb des Zentralgipfels
Und haben damit die fantastische Möglichkeit erstmals nach der Durchsteigung der Shisha Pangma Südwand nach
Norden abzusteigen. Ein großer Schritt im Kopf: In eine Richtung abzusteigen, aus der man nicht gekommen
ist. Und das an einem 8000er. Wir gehen den Schritt und genießen die Spannung und Freiheit. 1997 stand ich
schon einmal am Hauptgipfel und erinnere mich noch grob an die Richtung um unter dem Zentralgipfel in
seiner teilweise 50° steilen Nordflanke hindurchzuqueren. Der Plan geht auf und wir erreichen sicher den
Nordgrat, über den wir ohne große Probleme tiefer kommen.
Müde und völlig erledigt erreichen wir am späten
Nachmittag den Korridor auf ca. 7000 m, wo wir ein letztes Mal unser Zelt aufstellen. Die letzte kalte,
stürmische Nacht.
Fünf Stunden sind es am nächsten Vormittag noch, bis wir das Basislager der AMICAL alpin Shisha Pangma
Expedition erreichen und dort fantastisch versorgt werden. Den Nachmittag liegen wir halbbewusstlos und
glücklich im Zelt. Uns ist die Südwand und die erste Süd-Nord-Überschreitung der Shisha Pangma gelungen, und
das im allerreinsten Alpinstil; ohne Fixseile, ohne Zusatzsauerstoff, ohne vorherige Erkundigung. Rucksack
auf und los.
Mo. 09/05 - Di. 10/05
Ca. 25 km sind es noch hinaus bis zum Chinese Basecamp, wo uns nach 4-stündigem Marsch mit den schweren
Schuhen und Rucksäcken auch ein Jeep abholt. Und uns während einer wunderschönen Fahrt zurück zum
Ausgangspunkt Nyalam bringt. Schon am nächsten Morgen geht es nochmal 6 Stunden zu Fuss hinauf ins
südseitige Basislager, wo uns Sitaram und Phintso einen unglaublich netten Empfang bereiten. Nach 10 Tagen
unterwegs und einem eindrücklichen Erlebnis mehr im Kopf und in den Beinen.
Tibetischer Schafhüter, Gerlinde und Hiro beim Marsch ins Chinese Basecamp
Während der Rückfahrt nach Nyalam am Lalung Leh
Gratulationskuchen unseres Kochs Sitaram
Gerlinde's Hochgefühl während des Rückmarschs zum Chinese Basecamp mit Blick zurück zur Shisha Pangma:
"Keine Droge würde jemals dieses Gefühl von Zufriedenheit und Glücklichsein ersetzen können".
Morgen, den 12/05 geht's mit den Yaks und unserem gesamten Gepäck wieder hinunter nach Nyalam. Nach dem
Auffrischen unserer Gemüse- und Obstvorräte werden wir am 13/05 zum Everest weiterfahren und uns von dort
wieder melden.
Für heute glückliche Grüße aus unserem südseitigen Basislager,
Gerlinde, Hiro und Ralf