Nanga Parbat Basecamp (4250m), Sonntag 24. Juni 2001
Anhaltende Niederschläge lassen keinen Fortschritt zu Lager I weitestgehend zerstört!
Seit der Rückkehr vom Schlechtwetter-Rückzug Ende letzter Woche hat sich hier
im Basislager und am Berg nicht viel getan. Bereits am Dienstag der vergangenen
Woche kündigte uns Charly Gabl – Leiter der Wetterdienststelle in Innsbruck,
selbst Bergführer und erfahrener Himalaja Bergsteiger - über Satellitentelephon
den Durchzug eines Tiefdruckgebiets an diesem Wochenende an. Womit er präzise
recht behielt. Schon während der gesamten Woche hatten wir wegen der sehr flachen
Druckverteilung im Bereich Nordpakistans und des Nanga Parbats ständig Niederschläge,
Die Küche ist großartig die Stimmung bei Dauerregen weniger
die nachts zumeist auch hier im Basislager als Schnee niedergingengingen.
Im Laufe des Freitags erreichte uns das angekündigte Schlechtwettergebiet, das
weitere erhebliche Niederschläge brachte. An dieser Stelle auch Dank an Charly
Gabl, ohne dessen sehr genaue Vorankündigung wir wahrscheinlich gleich ins nächste
Schlechtwetter gerannt wären.
Natürlich leidet die Motivation eines jeden von uns. Das Stimmungsbarometer
innerhalb der Mannschaft zeigt Richtung Tiefdruck und die Mahlzeiten waren
zunehmend schweigsamer.
Und die ganz große Besserung war zunächst nicht in Sicht. Einen
weiteren Stimmungseinbruch brachte sicher auch unser "Ausflug" nach
Lager I am vergangenen Donnerstag. Am Nachmittag zuvor waren die
inzwischen ebenfalls im Basislager eingetroffenen Veikka Gustaffson
aus Finnland - wir standen 1994 gemeinsam auf dem K2 - und der Amerikaner
Ed Viestures - bekannt durch den IMAX-Everest-Film und den Streifen
"Vertical Limits" - in Lager I gewesen und hatten uns nach der Rückkehr
beim Abendessen vom völligen Flachliegen aller unserer Zelte berichtet.
Der Aufstieg der gesamten Mannschaft am nächsten Morgen nach Lager I war
schnell beschlossene Sache. Mit allen noch zur Verfügung stehenden Schaufeln
standen wir um 7:30 Uhr vor unseren "Zeltleichen". Der unglaublich schwere
Nassschnee der letzten Tage und der Schneestaub der beidseits zu Tal donnernden
Lawinen hatte die Zelte in Lager I fast dem Erdboden gleich gemacht. Nur da
und dort standen abgebrochene oder völlig verbogene Gestängeteile in den Morgenhimmel.
Zeltleichen bergen Lager I
Ralf
Qudrat und Emrodin
Lager I
Schmelzwasser des Nassschnees war durch die Risse der abgeknickten
Gestängebögen in die Zelte eingedrungen und so manche persönliche
Ausrüstung befand sich "Land unter". Kurzerhand haben wir alle noch
brauchbare Ausrüstung in einem Zelt deponiert, alle anderen Zelte
Gestängeschrott nach der Reparatur
ausgegraben und zu Tale getragen - wo es kurze Zeit später schon
wieder anfing zu schneien. Am Freitag in den wenigen Minuten der
Morgensonne fand Schadensanalyse statt: Ein Zelt hat Totalschaden,
aber die meisten der verbogenen Gestängebögen der anderen Zelte
ließen sich geradebiegen oder die abgebrochenen Gestängesegmente ersetzen.
Die zahlreich vorhandenen Löcher in den Zelten durch die Spitzen der
abgeknickten Gestänge werden sich nach der Rückkehr flicken lassen.
Niemand hat Schaden genommen und ein bißchen Bewegung während der
Schlechtwettertage nach Lager I hat auch niemandem zu sehr zugesetzt.
Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen. Was uns allerdings in
Lager II und Lager III erwartet weiß noch niemand zu sagen. Mit den
Ferngläsern ist nur "Weiß" auszumachen - und das heißt nichts Gutes.
Wie wir sonst so die Zeit herumbekommen? - wurden wir während der
letzten Tage am Telefon häufig gefragt. An erster Stelle steht
natürlich Lesen und sich Unterhalten im Messzelt. Die Mahlzeiten
samt Kaffee trinken am Nachmittag sind zweiter wichtiger Bestandteil
des Tagesablaufs. Mit unserer Küche haben wir ein Riesenglück: Karim,
unser Hauptkoch aus Hunza könnte in jedem Sterne-Hotel arbeiten und
Kashgar aus Diamirai, zweiter Mann in der Küche, steht nicht viel nach.
Super - was sie jeden Tag auf den Tisch zaubern.
Karim - unser Koch bei der Arbeit
Kashgar
Amin beim Schneeschaufeln
Heimstatt der meisten Aktivitäten ist unsere Messzelt-Herberge, die uns
während der ständigen Regen- und Schneefälle ein wenig Wärme und das
Gefühl von Heimat spendiert. Hier treffen sich auch die beiden Doktors
Werner und Magnus sowie Hajo zum Skatspielen. Nachdem Hajo gestern haushoch
gewonnen hat, kam das Gerücht auf Skat wäre doch eher ein Glücksspiel... .
Basislagerzelt
Magnus, Werner und Hajo beim Skatspielen
Tagebuch wird fleißig geschrieben, trotz des Wetters auch viel gelacht und
internationaler Kulturaustausch betrieben und wenn es das Wetter zuläßt
natürlich auch die Körperpflege nicht ganz unterschlagen. Der heftige
Knoblauch- und Zwiebeleinsatz fordert seinen Tribut.
Rosa beim Tagebuch schreiben
Hirotaka und Hajo im Messzelt
Eva beim Haarewaschen
Eine der Basislager-Highlight-Aktivitäten war bisher Diamantina's morgendliches
Aerobic- und Gymnastikprogramm. Sogar Hochträger Qudrat war munter bei der Sache.
Mit etwas weniger Schneematsch gäbe es sicher auch häufiger Wiederholungen als bisher.
Aerobic mit Diamantina
Vorhin haben wir wieder Charly Gabl in Innsbruck kontaktiert: Das Wetter
soll erst mal noch wechselhaft und schlecht bis Montag bleiben. Danach
taucht der berühmte Silberstreif am Horizont auf: ab Dienstag soll es
besser und stabiler werden. Drücken Sie uns fest die Daumen: der Neuschnee
muß sich wieder setzen und danach brauchen wir drei bis vier Tage stabiles Wetter ....
Herzliche Grüße aus dem Nanga Basislager,
Ralf Dujmovits
AMICAL alpin