An einem Ruhetag wie heute auf unserer Basislager-Blumenwiese in der Sonne vor dem Zelt sitzen zu
können und diese Zeilen zu schreiben ist fast ein Geschenk. Seit dem letzten Newsletter ist schon
eine Woche vergangen, - die Tage verfliegen intensiv und rasant. Wir haben uns im Basislager gut
eingelebt und eingerichtet und sind inzwischen auch am Berg gut voran gekommen. Die letzten Tage
möchte ich Ihnen im folgenden ein wenig zusammenfassen.
Basecamp mit Diamir-Flanke
Nach der Ankunft hier war trotz strahlender Sonne erst mal Ruhe und Vernunft angesagt. Jeder in der
Mannschaft wäre gerne so schnell als möglich an den Berg, um mit dem Einrichten der Hochlager zu
beginnen. Aber die Akklimatisation, die Anpassung an die während der Anmarschtage schnell gewonnenen
Höhe, musste erst mal mitkommen. Also erst mal einen Ruhetag einlegen, ankommen, einrichten, Zeit
für den Kopf sich an die beeindruckende Steilheit des Aufstiegs zu gewöhnen. Die Diamir-Flanke steht
ja direkt über dem Basislager - keine 2 Gehstunden entfernt -, der Gletscher fließt direkt neben
unserer Blumenwiese ins Tal.
Auch von unserer Küchenmannschaft haben wir uns erst mal ordentlich verwöhnen lassen. Schon während
des Anmarschs unter wesentlich schwierigeren Bedingungen als hier im Basecamp konnten wir eine
ausgezeichnete Küche genießen. Aber was wir jetzt hier mit mehr Ruhe und Muse aufgefahren bekommen
ist fast schon Sterne-verdächtig.
Basislager bei Schönwetter
Die Küchenmannschaft
Basislager nach Schnefall
Wir leben also nicht so schlecht - und waren dann doch froh als wir am 29. Mai zum ersten Mal zum
Lager I aufsteigen konnten. Der Weg führt vom Basislager erst mal noch durchs Grüne entlang des
Diamir-Gletschers. Ohne große Umwege kann das große Gletscherbecken unter der Diamir-Flanke erreicht
werden. Nur ein reichlich schottriger Moränenhang ist etwas unerfreulich und sicher auch mit
Sonneneinstrahlung Steinschlag gefährdet. Auf 4900 m, also gerade mal 650 m oberhalb des Basislagers
haben wir unterhalb eines schützenden Felspfeilers einen erfahrungsgemäß sicheren Platz gefunden.
Da das Gelände recht steil ist, mussten natürlich alle Plätze für die Zelte aus dem Schnee bzw. Eis
heraus gehackt werden, was für das erste Mal in der Höhe alle ziemlich anstrengte.
Zeltplattformen hacken Lager I - links Eva und Hajo - mitte Hirotaka - rechts Ralf
Über den nächsten Erholungstag haben sich alle gefreut. Alle nicht ganz. Hajo, Horst und die beiden
Hochträger waren gleich am nächsten Tag schon wieder aufgestiegen, um wieder einen Tag später schon
das erste Teilstück der steilen Löw-Eisrinne zu versichern. Als die vier von anstrengender und
erfolgreicher Arbeit an diesem Morgen zurück ins Lager I kamen, waren wir gut erholt gerade wieder
von unten heraufgestiegen, um das Lager fertig auszubauen.
Erstes Zelt in Lager I steht
Lager I fast fertig
Lager I - Zelt von Horst und Hirotaka
Nachdem alle 7 Zelte standen und das gesamte Material gut verstaut war, fanden wir unterhalb des
Lagers sogar ein Plätzchen, an dem Schmelzwasser zu Tage trat und uns die Möglichkeit bot auf langes
Schnee schmelzen zu verzichten. Eine 60 l Expeditionstonne war ruckzuck gefüllt und erlaubte uns
während einiger heißer Nachmittagstunden ausgiebiges Trinken. Um 18:00 Uhr lagen wir bereits in den
Schlafsäcken, denn um 01:00 Uhr würde schon wieder der Wecker für das weitere Versichern der
Löw-Eisrinne klingeln.
01/06
So kamen wir auch kurz vor 2:00 Uhr bereits los und waren froh um die Vortagesarbeit von Hajo und
Horst, die in der Kälte der Nacht schon über 1000 m Fixseil angebracht hatten. Die Löw-Eisrinne
steilt sich in ihrem unteren Teil allmählich auf und hat in der Querung zur legendären
Kinshoferwand - fast 800 m höher - eine Steilheit von annähernd 60°. Fast 500 m Fixseil waren
nochmals notwendig, um auch das letzte Steilstück in Deckung der Begrenzungsfelsen, die Querung zur
und die erste Hälfte der Kinshoferwand zu versichern. Leider waren die Verhältnisse in der 250 m
langen Querung recht bescheiden. Tiefer, grundloser Schnee wechselte ständig mit Pulverschnee
belegten Blankeispassagen, die mir das Vorwärtskommen beim Versichern reichlich erschwerten. Der
untere Teil der Kinshoferwand dagegen erwies sich als steile, griffige Eiskletterei in
zickzackförmigen Steilcouloirs. Respekt vor den Erstbegehern Anfang der 60er-Jahre. Leider war es
bereits 8:30 Uhr bis wir die Mitte der Kinshoferwand erreicht hatten und somit auch schon die Sonne
begann in die Löw-Eisrinne zu scheinen.
Hajo in Löw-Eisrinne
Hochträger Qudrat im Nachstieg beim Fixieren
Ralf im Vorstieg Löw-Eisrinne
Hirotaka in Kinshoferwand
4er Standplatz in Kinshoferwand
Um nicht in Eis- oder Steinschlag zu geraten, beschlossen wir für diesen Tag abzuseilen. Zwar auch
mit einem weinenden Auge, da wir doch gerne den Platz von Lager II wirklich erreicht hätten. Aber
wegen dieser 50 fehlenden Höhenmeter ein Sicherheitsrisiko in Kauf zu nehmen kam nicht in Frage.
Wir machten kurzer Hand ein Materialdepot und seilten die inzwischen fast 1000 Höhenmeter ab. 1500 m
Fixseil waren bisher insgesamt notwendig gewesen, um dieses sicher steilste Teilstück der
Kinshofer-Route zu versichern. Glücklich und reichlich zufrieden mit der flotten Arbeit der letzten
beiden Tage waren wir um 10:00 Uhr bereits wieder im Lager I und weitere zwei Stunden später im
Basislager. Die Küche verwöhnte uns mit allen möglichen Leckereien und es wird schwer nach dem
heutigen Ruhetag morgen wieder vom Basislager wegzugehen, um Lager II auf- und auszubauen und in
Richtung Lager III zu versichern.
Beim Abseilen in Löw-Eisrinne
Diamir-Flanke x = Kinshoferwand
Für heute verabschiede ich mich. Immer noch im Freien an meinem IBM Thinkpad arbeitend bei
herrlicher Sicht in die Kinshofer-Route, auf der wir doch schon ein ganzes Stück vorangekommen
sind.
Vieles hängt am Wetter. Drücken Sie uns die Daumen, dass es so strahlend bleibt wie bisher. Es ist
noch ein weiter Weg bis ganz hinauf.