Nach den langen Wartetagen in Kapstadt war es zunächst ein Genuss sich endlich wieder aus eigener
Kraft fortzubewegen. Erst um 15:00 Uhr waren wir von Blue One weggekommen. Das knapp 5 km lange
lange Blaueisfeld, das Blue One den Namen gibt und auch einem größeren Flugzeug die Landung erlaubt,
lag schnell hinter uns. Die Schlitten liefen hier wesentlich besser als auf dem Schnee, zudem war es
fast Brett eben. Im Schnee wurde alles etwas langsamer, vor allem da wir auch sehr schwer schleppten.
Alain hatte fast 250 kg im Schlitten, bei mir war es wesentlich weniger, da ich durch meine
Gehirnerschütterung doch noch ständig leichte Kopfschmerzen habe.
Am späten Nachmittag kam leichter Wind auf, leider aus der völlig falschen Richtung. Die Zugdrachen
konnten wir beruhigt in den Schlitten lassen. Es wurde zusehends windiger und als wir gegen 24:00
Uhr in der Nähe eines Nunataks das Lager einrichteten, hatte der Wind fast Sturmstärke erreicht.
Nicht gerade einfach die Zelte im Sturm und der mitternächtlichen Kälte aufzubauen. Und müde waren
wir nach fast 20 Kilometer Schlittenziehen auch. Bis genügend Wasser gekocht war und wir in den
Schlafsäcken lagen war es 2:30 Uhr.
Der nächste Morgen und auch die noch folgenden zweieinhalb Tage bis zum Basislager hatten wir
herrlichstes Wetter, das bis jetzt anhält. Strahlend blauer Himmel, nur hie und da eine leichte
Brise, so dass es morgens, wenn die Sonne etwas höher gestiegen ist und auf die Zelte scheint,
schon fast zu heiß wird. Einige große Spaltenzonen waren nicht so einfach zu umgehen und auch die
Filmarbeit hielt ordentlich auf, so dass wir insgesamt nicht sehr schnell vorankamen.
Der eineinhalb Tage dauernde Einzug in die Felsenwelt um Holtanna, Kintanna und Ulvetanna erinnerte
mich an den Einzug in die Kirche an Fronleichnam in meiner Kindheit. Es war richtig ergreifend.
Teilweise ging jeder lange Strecken für sich, in sein Tempo und seinen Rhythmus versunken, immer
wieder stehen bleibend um diese bizarren Felsriesen, die da einfach 1000 und mehr Meter aus dem
ebenen Eis ragen, ungläubig anzustaunen.
Zwischendurch haben wir uns zum Vespern getroffen und natürlich abends zum Lager aufbauen und
übernachten. Am vierten Tag sind wir schweigend nebeneinander die Schlitten ziehend auf den Holtanna
zumarschiert. Schon vier Stunden vorher stand er beeindruckend vor uns, und wurde beim Näherkommen
immer noch größer. Die Distanzen sind durch die klare Luft unglaublich groß. Was aussieht wie
nebenan, ist mindestens noch drei Stunden weit weg.
Unser Basislager haben wir jetzt fast am Fuß des Holtanna auf ca. 1700 m eingerichtet - trotzdem
werden es sicher noch eineinhalb Stunden bis zum Einstieg sein. Am Abend unserer Ankunft wurden auch
der Rest des Teams und des Gepäcks eingeflogen, so dass jetzt wirklich alles hier ist. Der gestrige
Tag verging fast gänzlich mit dem Ausbau des Basislagers: Einen Iglu für die Toilette bauen, alle
Zelte aufbauen und sturmsicher verankern, das Kommunikationszelt und das Küchenzelt
"gemütlich" einrichten und die technische Einrichtung ausprobieren.
Trotz der Kälte funktioniert bis auf eine Ausnahme fast alles, erstaunlich bei nächtlichen -28°C
im Schatten des Holtanna. Heute nachmittag werden wir einen ersten Materialtransport starten, um die
Ausrüstung zum Einstieg zu bringen. Neuigkeiten vom Fortgang der Kletterei und der Versicherung des
unteren Teils des etwa 900 Meter hohen Felspfeilers mit Fixseilen in etwa einer Woche.
Für heute erst mal beste Grüsse aus Queen Maud Land,