Shisha Pangma Süd-Basislager, Sonntag 16. Mai 2004
Passen Roebi's Handschuhe auch als Fußwärmer?
Gerlinde - Ralf - Roebi - Hiro beim Start zum Wandfuß
Material packen am Vortag
Wegen Steinschlagverletzung Durchsteigung der Shisha Pangma Südwand
abgebrochen!
Heute Sonntag hätten wir - wenn alles wie geplant verlaufen wäre - bei
herrlichstem Wetter auf dem Gipfel des Shisha Pangma stehen können. Alles
war perfekt und hatte 100%-ig gepasst: das Team, die Kondition und
Gesundheit bei allen, die Verhältnisse in der Wand und vor allem das Wetter.
Trotzdem hat es nicht sollen sein. Nach ca. 750 m Aufstieg ab unserem Biwak
am Wandfuß traf mich wie aus heiterem Himmel während einer steilen Querung
ein etwas mehr als faustgroßer Stein. Oberhalb des Schuhschafts direkt auf
die linke Wade. Für einen Augenblick lähmte mir der Schmerz alles Denken.
Roebi und Gerlinde hielten mich fest, damit ich nicht die Wand hinunterfiel.
Als der erst große Schmerz etwas abgeebt war, versuchte ich zunächst
weiterzusteigen. Ich konnte und wollte es nicht wahr haben aufgeben zu
müssen. Und wenn ich aufgeben würde, was wäre mit den anderen? Mühsam stieg
ich weiter. Je höher wir aber kamen, desto häufiger standen wir im steilen
Gelände auf den Frontzacken der Steigeisen Und in diesen Augenblicken wurde
mir vor Schmerzen fast schwarz vor Augen. Beim dritten Versuch
weiterzusteigen musste ich enttäuscht aufgeben. Es ging einfach nicht mehr
und wäre zu gefährlich geworden.
Um in dieser gewaltigen Wand schneller vorankommen zu können, waren wir seit
den frühen Morgenstunden gleichzeitig, jeder für sich geklettert. Immer steiler
war das Eis geworden, immer mehr hatte uns die Hitze zu schaffen gemacht. Ich
war zum Schluss immer unsicherer geklettert, und war damit zum Risiko für alle
anderen geworden. Die letztliche Entscheidung aufzugeben, war gleichbedeutend
mit dem Abbruch des ganzen Unternehmens. Keiner wollte mich alleine absteigen
lassen, zu sehr waren wir vier während der Expedition zusammen gewachsen. So
beschlossen wir um 14:30 Uhr nach 1000 Höhenmeter Aufstieg - noch 250 Höhenmeter
von unserem geplanten Biwakplatz entfernt - einen traurigen Rückzug. 1000 Höhenmeter
Abstieg - zumeist auf den Frontzacken rückwärts kletternd - sind lang.
Unendlich lang. Das letzte Stück nahm mir Roebi den Rucksack ab und im
letzten Licht erreichte wir unseren Biwakplatz der Vornacht.
Am Ende der Einstiegsrinne
Ralf noch fit vor dem Steinschlag im unteren Wandteil
Hiro voll konzentriert nach 800 Höhenmetern
Es war eine meiner traurigsten Entscheidungen beim Bergsteigen. Dass andere
wegen mir einen fast sicher geglaubten Gipfel aufgeben müssen war mir bisher
nie passiert und brachte mich fast um den Verstand.
Es hätte auch unglücklicher ausgehen können. Dass mich der Stein im Gesicht
getroffen hätte oder die Wucht des Aufpralls mich aus der Wand gestoßen
hätte. Während wir hier im Basislager sitzen, versuche ich positiv zu
denken. Mit starken Schmerzmitteln und der Unterstützung der anderen konnte
ich gestern hierher zurückkehren. Traurig und enttäuscht. Trotzdem froh,
dass es nicht schlimmer ausgegangen war.
Roebi wird in ein paar Tagen planmäßig nach Hause fahren. Ob ich Gerlinde
und Hiro noch zur Annapurna I begleiten werde kann, wird sich
wahrscheinlich erst in Kathmandu herausstellen. Momentan bin ich
zuversichtlich, der Bluterguss in der Wade hat sich schon etwas verteilt und
die Schmerzen sind beim Umherhumpeln im Basislager schon wieder erträglich.
Zunächst einen herzlichen Gruß aus Tibet,
Ralf mit Gerlinde, Hiro und Roebi