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21.05.2007
Glücklich zurück - Gipfel des 8000ers Manaslu erreicht
Nach dem Erreichen des Gipfel des Manaslu sollte es zunächst noch spannend werden: erst kehrte Jürgen Hadel nicht ins letzte Lager zurück, dann musste Angelo Vedani im Abstieg nach Lager II noch ein Freibiwak einlegen. Aber der Reihe nach; bis es so weit war vergingen erst noch ein paar Tage.
Nach dem ersten, gescheiterten Gipfelversuch gab es zunächst lange Gesichter - 60 cm Neuschnee mussten erst verdaut werden. "Ob sich diese Mengen an Schnee in der verbleibenden Zeit, vor allen in den Nordseitigen Hängen, genügend setzen würde" war die spannnde Frage. Großes Glück begleitete unser Warten - täglich wurde es wärmer und oberhalb von 5500 m brannte die Sonne täglich ohne Unterlass. Während wir im Basislager vielfach im Nebel und in den Wolken saßen, hörten wir oberhalb das Donnern der Lawinen und damit das Entladen der schneebrettgefährlichen Hänge.
Im Aufstieg nach Lager 1 bei schönstem Wetter
Rolf und Helmar erreichen Lager I
Hiro und Ralf lassen es sich in Lager 1 munden
Ein weiterer Anruf beim österreichischen Meteorologen und Bergführerkollegen Charly Gabl gab Gewissheit - ab Mittwoch bis einschließlich Samstag sollte das Wetter weitestgehend trocken und windstill bleiben. Euphorie machte sich im Basislager breit, als mein Telefonat am Dienstag vergangener Woche Gewissheit brachte: Mittwoch morgen starten wir.
Alles lief wie am Schnürchen: Die Schneedecke trug am nächsten Morgen unser Gewicht und so konnten wir ohne zu große Anstrengung mit leichten Rucksäcken nach Lager I aufsteigen. Die Einwirkung der Mai-Sonne macht sich inzwischen stark bemerkbar - im letzten, etwas steileren Teil des Aufstiegs nach Lager I apern inzwischen die Felsen aus, so dass auch noch etwas Felskletterei angesagt war.
Der spannendere Teil des weiteren Aufstiegs war der Weg nach Lager II: 1100 Höhenmeter hinauf nach 6750 m zu spuren würde keine leichte Aufgabe werden. Aber auch hier hatten sich die großen Neuschneemengen schon gut verfestigt und mit Hilfe der Schneeschuhe - ohne die wir keine Chance gehabt hätten - waren wir bereits nach fünf Stunden bei herrlichstem Wetter in Lager II. Nur Marc ging es von der Höhe her nicht so gut - er kehrte auf halber Strecke um und verabschiedete sich vom Manaslu.
An der Steilstufe zwischen Lager I und II
Lager II im schlechter werdenden Wetter
Filmriss-Sherpa Karma hat Pech gehabt
Im Lager II setzte nachmittags leichter Schneefall ein, der auch Teile der Nacht anhielt. Als wir morgens beim ersten Morgengrauen starteten, zog sich der Manaslu gerade eine wenig vielversprechende Haube über. Wind kam auf und es begann zwischenzeitlich stark zu schneien. "Sollte die Wetterprognose vieleicht doch nicht recht behalten?" war unser aller Gedanke. Die Rucksäcke mit den Zelten für Lager III und 600 Meter Fixseilen waren drückend schwer. Und im Bereich der 7000-Meter-Marke hatte sich der Schnee auch bei weitem nicht so verfestigt wie weiter unten. So war bei teilweise unter 50 Meter Sicht spannendes Höhersteigen angesagt. Im steiler werdenden Gelände - teilweise bis 60° - brachten Hiro und ich abwechselnd Fixseile an. Nach den steileren Passagen war wieder schwere Spurarbeit gefordert, danach einige Hundert Meter Blankeis - bis wir endlich nach sieben Stunden Lager III auf 7300 m erreichen konnten. Dort klarte das Wetter endlich auf und wir begannen an eine reelle Chance für den Gipfelaufstieg am nächsten Tag zu glauben.
Schwer bepackt nach Lager III
Wo geht es lang - Peter u Sepp
Lager III auf 7300 m beim Aufbau
Dieser brachte - wie von Charly Gabl vorausgesagt - fantastisches Wetter: um 2:00 Uhr morgens im Stockfinsteren begannen wir unseren Aufstieg. In den endlosen Hängen war die Orientierung nicht ganz einfach - teilweise war ich mir nicht ganz sicher die Ideallinie in den teilweise doch bis 45° steilen Hänge gefunden zu haben. Bis zum Tagesanbruch hatten wir bei gerade mal -25° C schon das Plateau auf einem Drittel des Gesamtanstiegs erreicht. Immer zwischen 20 und 40 cm spurend arbeiteten wir uns nur langsam nach oben. Hiro und ich teilten uns die Spurarbeit - an einigen Pasagen auch durch Sherpa Pasang unterstützt.
Als wie eine letzte, breite Rinne - schon auf über 8000 m - hinter uns hatten und wir nach einem kleinen Sattel den Gipfelaufbau sehen konnten, stockte mir für ein paar Sekunden der Atem: stark überwechtet und zum Schluss mit fragilen Schneetürmen besetzt präsentierte sich der Gipfel. Hiro sicherte mich Stück für Stück diese letzten, doch reichlich gefährlichen Meter zum höchsten, felsigen Punkt des Grates. Von dort aus musste nun jeder der Ankommenden einzeln gesichert zum höchsten Punkt klettern. Um 9:15 konnte ich nach einigen präkären Metern im grundlosen Wechtenschnee meine Arme in den Himmel strecken. Und war unendlich glücklich nun beim zweiten Anlauf den Gipfel des Manaslu erreichen zu können.
Manaslu`s Schatten
Sherpa Pasang sieht man die Anstrengung an
Die sehr ausgesetzten Meter zum Manaslu Gipfel
Ein Fixseil zum höchsten Punkt konnte ich keines Anbringen - der Schnee der filigranen Wechten war zu morsch und grundlos. Ein spannender Gipfel - ohne Gruppenaufnahme. Jeder genoss den grenzenlosen Ausblick vom höchsten Punkt für sich alleine und stieg dann wieder vorsichtig ab. Der Reihe nach erreichten Hiro, Richi, Peter, Pasang, Sepp und Angelo den höchsten Punkt des Manaslu. Zudem noch die beiden parallel aufsteigenden Österreicher Peter und Oliver.
Glücklich begannen wir den Abstieg, wo uns auch bald Rolf und Jürgen begegneten. Beide bat ich um spätestens 13:30 umzukehren. Rolf hatte sich im Aufstieg um Helmars angefrorene Finger bemüht und dadurch viel Zeit verloren. Er konnte tatsächlich in der Zeit bis 13:30 auch den Beginn des Wechtengrates erreichen und war damit - bis auf ein paar wenige, ungesichert zu klettern zu gefährliche Meter - auch am Gipfel.
Jürgen kehrte auch rechtzeitig um, hatte sich aber derart verausgabt, dass der Abstieg nur Schritt um Schritt vor sich ging. Während alle nach glücklicher Rückkehr in Lager III zusammenpackten und den Abstieg antraten - Helmar mit angefrorenen Daumen und Jo mit gefühllosen Fußzehen waren recht- und frühzeitig umgekehrt - kämpfte sich Jürgen langsam nach unten. Nachdem alle Richtung Lager II abgestiegen waren, war ich irgendwann alleine mit einem kleinen Zelt und einem flauen Gefühl im Magen alleine im Lager III. Jürgen kam nicht. Zwei Mal an diesem Nachmittag stieg ich noch zum ersten Plateau auf um nach Jürgen zu schauen, - er kam nicht. Als es dunkel wurde legte ich mich mit schweren Sorgen in den Schlafsack. Um 21:20 kam er endlich. Jürgen völlig erledigt - ich überschwenglich vor Freude die Mannschaft komplett zu wissen.
Als ich die Nachricht per Funk an Stefan im Basislager weitergab kam die nächste Hiobs-Botschaft: Angelo war in der Dunkelheit nicht im Lager II eingetroffen. Erneute Erschütterung machte sich breit - was war passiert? Ein kleiner Suchtrupp machte sich von Lager II aus auf um nach Angelo in der Dunkelheit zu suchen - ohne Erfolg. Erst um 7:00 Uhr gestern morgen kam Entwarnung: Angelo waren während des Gipfelaufstiegs des Vortags die Batterien seiner Stirnlampe ausgefallen und nun konnte er sich in der Dunkelheit nach dem Abgang einer großen Lawine aus dem Bereich von Lager III nicht mehr orientieren. Und bezog auf 7000 m ein Notbiwak, was er auch ohne Frostschäden überstand.
Alleine bleibe ich in Lager III zurück
Jürgen beim Abseilen unterhalb Lager III
Mit doppelter Erleichterung traten Jürgen und ich gestern in der Früh den Abstieg von Lager III an. Ein langer Abstieg. Jürgen war vom Vortag so erschöpft, dass er immer nur wenige Schritte absteigen konnte und dann eine Pause brauchte. Mittags waren wir im schon völlig geräumten Lager II - abends um 18:00 Uhr liefen wir im Lager I ein. Eine harte Geduldsprobe hatte ihr Ende. Jürgen blieb eine weitere Nacht in Lager I, genauso wie Angelo. Während ich diese Zeilen schreibe, sind sie am Abstieg ins Basislager. Der schönste Augenblick der Expedition ist zum Greifen nah - alle gut zurück im Basislager.
Wie immer in den Jahren meines Unterwegs-Seins möchte ich mich am Ende meines Newsletters bei meinen Sponsoren bedanken: bei Herrn SCHÖFFEL und seinen Mitarbeitern, die mich seit 13 Jahren unterstützen; bei der Firma GoreTex Bereich Footwear; bei LOWA und der Sparkasse Bühl.
Herzlichen Dank auch für Ihr Interesse. Ein großes Erlebnis geht mit dem Beginn unseres 6-tägigen Rückmarsches dem Ende entgegen
Ralf Dujmovits
und das ganze Büro-Team von AMICAL alpin: Nicola Roth, Bettina Arnold und Andreas Sippel